Informationsschalter

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LeonoraSvenson
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Re: Informationsschalter

von LeonoraSvenson am 16.05.2014 21:11

Ich betrachtete Juli keineswegs als nervig. Im Gegenteil, ich war sehr froh um unsere offene Beziehung zueinander, denn dadurch wusste ich, was in meiner Tochter vorging - niemals würde ich Legilimentik bei einem meiner Kinder anwenden! - und konnte ihr Ratschläge erteilen, ohne gleich als übertriebene Autoritätsperson angesehen zu werden. Generell war ich gegen einen autoritären Erziehungsstil. Meine Kinder hatten genau wie jeder andere Mensch das Recht, zu unabhängigen Individuen mit eigener Meinung heranzuwachsen. Mich selbst sah ich mehr als eine Art Begleitperson auf diesem Weg oder versuchte es zumindest zu sein. Gerade bei Natalie fiel es mir oft schwer, nicht von der Mutter zur Gefängnismeisterin zu werden.

Natürlich blieb mir nicht verborgen, dass Isobel nun wieder professioneller dreinblickte. Selbstverständlich wusste auch ich, dass es einem beim Erklimmen der Karriereleiter helfen konnte, wenn man ab und zu einen emotionalen Gesichtsausdruck aufsetzte, aber das hieß noch lange nicht, dass ich diese Art der Politik begrüßte oder auch nur respektierte. Für mich war es ein Zeichen unerträglicher Arroganz, den Menschen in dem Land, in dem man etwas bewegen wollte, etwas vorzuspielen und eine Vorzeigefigur zu inszenieren. Es sollte auf die Inhalte ankommen! Neutralität war ehrlicher, transparenter und professioneller. Ganz abgesehen davon, dass es zum Beispiel radikale Regierungschefs sowieso nicht interessierte, ob ihr Gegenüber nun mit den Wimpern klimperte oder auf eine, auch in meinen Augen völlig akzeptable, höfliche, aber sachliche Art versuchte, sie von einem Friedensabkommen zu überzegen - ich hatte im Laufe meiner Karriere trotz Spezialisierung einige davon getroffen und auf die zweite Art und Weise viele Erfolge feiern können -, hatte ich auch überhaupt kein Interesse daran, weiter aufzusteigen. Nicht, weil ich mich davor drücken wollte, sondern einfach, weil ich der Allgemeinheit als Diplomatin mehr nutzte als als Abteilungsleiterin in irgendeinem Ministerium. Ich hatte mein Ziel längst erreicht - zumindest, was meine eigene Berufung anging, denn ausgeschöpft waren die Möglichkeiten noch lange nicht - und war prinzipiell auch nur nach Großbritannien gekommen, weil mein Vorgesetzter in Deutschland dies für richtig gehalten hatte. Anhand meiner Unvorsichtigkeit bei unserem ersten Gespräch müsste das Isobel eigentlich klar sein.

Als der Heiler mit seinem Vorgesetzten zurück kam, registrierte ich erleichtert, dass es nicht der Oberheiler war, der damals nach dem Tod meines Vaters mit mir gesprochen hatte. Dieser war damals noch relativ jung gewesen, wenn ich mich recht entsann, also wäre es durchaus möglich gewesen. Da das Gespräch nicht so gut verlaufen war, war ich nicht besonders erpicht darauf, diesen Mann wieder zu sehen und ebentuell genau so ein nervliches Wrack zu werden wie Isobel, weil all die Erinnerungen wiederkamen.
Nun hörte ich also diesem Heiler bereitwillig zu. Auch er wollte "stabil" nicht genauer beschreiben, wie mir auffiel, weshalb ich im Gegensatz zu Isobel eher einen steigenden Nervositätslevel hatte. Natürlich wäre ich trotzdem durchaus in der Lage gewesen, mich in die Diskussion einzuschalten, aber Isobel ließ mir keine Gelegenheit dazu und ich legte keinen Wert darauf, etwas für sie zu tun und danach von ihr dafür bestraft zu werden, weshalb ich mir meine Mitsprache nicht gewaltsam erkämpfte. Dennoch war es mir nach wie vor unangenehm und ich hielt es immer noch für absolut unpassend, in dieser Angelegenheit über Isobel gestellt zu werden - auch, wenn mein Interesse an dem Grund dafür keinesfalls abgenommen hatte. Des Weiteren wäre es vermutlich auch für mich hilfreich gewesen, Mr Rosefield zu sehen, bevor ich irgendeine Entscheidung traf, doch ich respektierte, dass Isobel ihn zunächst allein sehen wollte. Im Ernstfall würde ich aber trotzdem auf einen Besuch bestehen, bevor ich eine Fehlentscheidung traf. Auch mit Isobel würde ich reden müssen, auch, wenn ich mich nicht allein darauf verlassen wollte, da ich die Möglichkeit, im Nachhinein für etwas beschuldigt zu werden, ungern offen ließe.

Nachdem Isobel mit dem anderen Heiler zu ihrem Vater gegangen war, bedeutete der Oberheiler mir, ihm in einen kleinen Besprechungsraum neben dem Wartezimmer zu folgen. Ich erkannte ihn wieder; man hatte mich nach Noahs Einlieferung ebenfalls hier her gebracht. Der Gedanke daran ließ mich schlucken, aber ich blieb neutral und verdrängte ihn wieder. Dieses Mal musste ich zuhören.
"Möchten Sie etwas trinken?", fragte der Oberheiler mich, als wir uns gegenüber am Besprechungstisch saßen.
"Nein, danke", lehnte ich ab. Ich überlegte kurz, dann fuhr ich fort. "Allerdings gibt es etwas anderes, das ich gerne möchte", setzte ich etwas vorsichtiger an, um ihn nicht zu überrumpeln.
Mein Gesprächspartner schien bereits etwas zu ahnen, als er antwortete: "Und das wäre?", denn er klang dabei etwas resigniert, was ich zugegebenermaßen unangemessen fand. Selbstverständlich war ich mir der späten Uhrzeit bewusst, zu der er noch arbeiten musste, aber das hätte er auch, als er sich für diesen Beruf entschied.
"Erzählen Sie mir doch bitte, warum Mrs Rosefield jetzt nicht an meiner Stelle hier sitzt und über die Behandlung ihres leiblichen Vaters entscheidet", erfüllte ich seine Erwartungen. Er die meinen mit seiner Antwort allerdings nicht - sie überraschte mich ziemlich.
"Nun ja, Mrs Svenson", begann der Oberheiler in diesem überfürsorglichen Tonfall, den ich an Seinesgleichen nicht leiden konnte. "Es ist so, dass Isobel Rosefield eine medizinisch gesehen etwas... problematische Vergangenheit hat."
Das war nun wirklich das Letzte, das ich erwartet hätte. Medizinisch gesehen problematisch? Soetwas hatte ich bisher immer nur im Bezug auf mich gehört, aber nie im Bezug auf Isobel. So weit ich wusste, hatte sie sich nie im St Mungo oder auch nur in einem Muggelkrankenhaus in Behandlung befunden - was natürlich nicht viel heißen musste, wie mir nun klar wurde. Vielleicht war in ihrer Kindheit etwas passiert. Selbstverständlich wäre das keine Entschuldigung für ihren Charakter und ihre widerwärtigen Handlungen, doch es warf ein Licht auf Isobel, indem ich sie noch nie gesehen hatte. Denn es war klar, dass niemand aufgrund eines physischen Leidens solch extreme Schritte ergreifen würde... zum ersten Mal an diesem Tag hatte ich leichte Schwierigkeiten, meinen Blick zu wahren.
"Wie sie sicher wissen, war sie vor einigen Jahren wegen Burnouts hier in Behandlung. Es dauerte sehr lange, bis sie wieder stabil war."
Unfassbar! Ich begann zugleich, mir Vorwürfe zu machen - nicht wegen Isobel allerdings, denn sie war selbst schuld, wenn sie sich überarbeitete; in meinen Augen war es nur verwunderlich, dass sie nach dieser sicher öffentlichen Bekanntmachung ihrer Unfähigkeit noch zur Zaubereiministerin geworden war. Nein, ich war erschüttert über meinen eigenen Informationsstand. Natürlich hatte ich genaue Kenntnis über alle politischen Vorgänge in England seit dem Abschluss meines Studiums, aber mit derart privaten Dingen hatte ich mich nicht befasst. Ein schwerer Fehler, wie es aussah. Dennoch erwartete ich das, was jetzt kam, beinahe schon.
"Deshalb wollten wir ihr diese belastende Information nicht zusenden, um die Gefahr eines Rückfalls zu minimieren."
Dieser Satz klang vorwrfsvoll. Vermutlich, weil ich ihren Plan nicht zum Aufgehen gebracht hatte. Dazu hatte ich allerdings etwas zu sagen.
"Das, was Sie sagen, ist natürlich richtig", antwortete ich in diplomatischem Tonfall. Ich würde mir keine Blöße geben. "Allerdings ist Mrs Rosefield, wie Sie bereits sagten, seit Jahren genesen. Somit besteht kein Grund, ihr Informationen vorzuenthalten", fuhr ich ebenso sachlich fort. Um ihm alle Widerspruchsmöglichkeiten zu nehmen, fügte ich noch hinzu: "Würde ich nicht existieren, wäre sie auch benachrichtigt worden, nicht wahr? Das bedeutet doch, dass sie durchaus dazu fähig ist, eine solche Information zu verarbeiten. Ganz abgesehen von der psychischen Belastung, die sicherlich entsteht, wenn man sich fragt, warum man abgewertet wird."
Tatsächlich dauerte es etwas, bis der Oberheiler antwortete. "Das ist richtig, aber..." Er suchte nach Worten. Es war nur höflich, die angespannte Stille zu unterbrechen.
"Genau", sagte ich. "Und deshalb werde ich nichts mit ihnen ohne Mrs Rosefields Anwesenheit und Mitspracherecht beschließen."
Der Oberheiler schien nicht ganz zu wissen, was er tun sollte, und schließlich willigte er ein, mich zu Mr Rosefields Zimmer zu bringen, damit ich mir ein Bild von dessen Zustand machen und Isobel zu uns holen konnte.

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I know that I am broken inside. I'm sorry.

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